Viele Schüler haben Angst vor dem baldigen Schulbeginn (mein FB-Post vom 14.04.2020)

 

Gerne möchte ich teilen, was ich derzeit, kurz vor dem eventuellen Exit aus dem Corona-Shutdown, in meiner Coachingpraxis für Jugendliche erlebe.

 

Denn diesmal ist es für unsere Kinder anders, anders als sonst nach den Ferien wieder zur Schule zu gehen! Das ist irgendwie schon klar. Aber wie bewusst ist es uns wirklich, dass die Rückkehr in den Alltag, in ein „normal“ laufendes Leben nach dem Corona-Shutdown auch für unsere Kinder eine ganz besondere und außergewöhnliche Herausforderung darstellt?

 

Momentan erreichen mich vermehrt Mails und Anrufe von Jugendlichen und Eltern mit der Bitte um Hilfe und Unterstützung, weil sie bzw. ihre Kinder Angst vor dem eventuell baldigen Schulbeginn haben und nicht wissen, wie sie damit umgehen und den Wiedereinstieg meistern können.

 

Die sicheren vier Wände zu verlassen, wieder in die Schule zu gehen, macht die Möglichkeit, sich anzustecken, selbst krank zu werden und dann vielleicht auch noch Familienmitglieder zu infizieren (auch solche, die zur Risikogruppe gehören), für unseren Nachwuchs absolut konkret! Und bei vielen Jugendlichen kommen zu diesen Sorgen weitere Bedenken und Ängste dazu.

Seit Wochen ist das Virus allgegenwärtig, Thema Nr.1, es hat unser Verhalten verändert, unser Leben auf den Kopf gestellt, Unsicherheit und Angst geschürt. Diese Unsicherheit, Ängstlichkeit ist längst bei unseren Kindern angekommen - auch dann, wenn Sie als Eltern vielleicht keine wirkliche Angst empfinden. Unsere Kinder schauen Fernsehen, hören Radio, sind vernetzt, ab einem gewissen Alter besitzen sie ein Handy und/oder PC und haben damit Zugang zum Internet.


Wir können uns alle der unterschwelligen Sorgen um die Zukunft nur schwer entziehen, schließlich sind wir empathische Wesen, besitzen Spiegelneuronen und genauso wie ein Lächeln auf mein Gegenüber ansteckend wirkt, genauso überträgt sich auch Unsicherheit und Angst.

 

Über einen längeren Zeitraum andauernde Unsicherheit, Sorge und Angst untergraben das (Selbst)Vertrauen und führen meist zu noch mehr Unsicherheit und Angst, negative Gedanken bringen weitere negative Gedanken hervor – auch bei unseren Kindern.

Bei denjenigen, die dieses Jahr ihren Schulabschluss machen, hat sich der Druck, die Unsicherheit und Aufregung vor der Prüfung nicht selten vervielfacht. Wegen des fehlenden Unterrichts können viele nur schwer beurteilen, wo sie mit ihrem Wissenstand oder auch notentechnisch gerade stehen, weil das direkte Feedback fehlt. Dann sind vielerorts wichtige schriftliche Arbeiten des Schuljahres noch nicht geschrieben und müssen zusätzlich zu den Abschlussprüfungen gemeistert werden. Mancher hat vielleicht auch die Befürchtung, dass die eine oder andere Arbeit jetzt vielleicht ausfallen könnte und damit auch die Chance, seine Note in dem einen oder anderen Fach noch etwas zu verbessern.

 

Doch gerade bei Schülern, die mit der Schule auch unangenehme Erfahrungen wie z.B. Mobbing* verbinden, kann der Gedanke, wieder in die Schule gehen zu müssen, alte Erinnerungen wachrufen, die dann zusammen mit der unterschwelligen Unsicherheit wegen Corona zu echter Schulangst und Panik oder in ein tiefes Loch führen können. – Wie der nachfolgende Ausschnitt aus der Mail einer 16-jährigen Schülerin zeigt.

 

„..ich bin grade in einer schlechten Phase und wollte auf dein Angebot dich zu kontaktieren zurückkommen.. durch diese Corona Sache bin ich wieder ein bisschen in ein Loch gefallen und es fällt mir schwer positiv nach vorne zusehen.
Ich habe ja ein Problem mit meiner Schule, weil da das Mobbing* war und dort meine alten Freundinnen sind... und durch die Quarantäne muss ich im Moment nicht hin, worüber ich mich sehr gefreut habe und dann wurde von allen Seiten gesagt, dass sie glauben ich muss nur noch für die Prüfungen hin und dann bin ich fertig.
..Dass ich da nicht mehr hin muss habe ich mir leider zu sehr zu Herzen genommen und mich darauf eingeschossen, aber jetzt ist es wahrscheinlich, dass ich da doch wieder hin muss und damit kommt die Angst wieder, weil ich schon so sicher war: Ich bin jetzt sicher, aber jetzt besteht eine hohe Chance das ich wieder hin muss und ich wollte dich um Rat bitten, wie ich, wenn ich wieder hin muss, die letzten Wochen überstehen kann?“

 

*(Man bedenke nach einer Studie der WHO von 2010 erlebt jeder 4 Schüler in seiner Schullaufbahn Mobbing. Man könnte sich vor eine (Abschluss-)Schulklasse stellen und einfach durchzählen: „1,2,3,4, ..1, 2, 3, 4;..“.)

 

Andererseits kann diese Situation eine gute Gelegenheit und Chance bieten, eben genau solche alten Blockaden und Ängste endlich aufzulösen, Möglichkeiten zu entdecken mit Druck und Stress umgehen zu können und mentale Stärke und Selbstbewusstsein zu entwickeln, damit die Rückkehr in die Schule einfach leichter fällt.

 

Auf alle Fälle sind wir als Eltern, als Lehrer und Gesellschaft gerade jetzt, kurz vor dem eventuellen Exit aus dem Corona-Shutdown und der Aussicht darauf, dass die Schulen bald wieder öffnen, ganz besonders gefordert, bei unseren Kindern nachzufragen und hinzuhören wie es ihnen geht, für sie da zu sein und sie mit Empathie, Kreativität und Bewusstheit auf ihrem Weg zurück in die Schule zu begleiten.

 

Dafür wünsche ich allen, den Großen wie den Kleinen, von Herzen ganz viel Kraft, Vertrauen, Geduld, Liebe und gutes Gelingen. Und falls Sie bzw. Ihr Kind Unterstützung brauchen, bin ich – genauso wie viele meiner Kollegen/innen – gerne für Sie da.

 

Herzliche Grüße

 

Verena Heinzerling

 

P.S. Alle unangenehme Themen, sei es Leistungsdruck, Selbstzweifel, schlechtere Noten, Probleme mit Mitschülern, Lehrern oder Fächern, die schon vor dem Shutdown da waren, können sich für viele Schüler jetzt kurz vor dem konkreten Schulbeginn wie ein unüberwindlicher Berg anfühlen, enorm belasten und Angst machen.

 

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